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Das Leben von Jörg, einem Mann aus Olpe, der seit fast 20 Jahren mit einer Drogenabhängigkeit kämpft, ist geprägt von täglichen Herausforderungen, Rückschlägen und dem ständigen Kreislauf aus Konsum und Kriminalität. In einem offenen Gespräch erzählt er von seinen Erfahrungen mit Ladendiebstählen, vor allem Parfüm, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, den Verlust von Vertrauen in seiner Familie und den Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Dieser Artikel gibt einen tiefen und persönlichen Einblick in Jörgs Alltag, seine Gedanken und Gefühle sowie die gesellschaftlichen Aspekte, die mit Suchterkrankungen verbunden sind.
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Ein Leben im Schatten der Sucht
Jörg lebt seit etwa ca. 20 Jahren mit seiner Abhängigkeit, die ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Er erzählt offen, dass er zwischendurch auch mal drei Jahre clean war, doch die Sehnsucht nach Drogen blieb stets präsent. „Die Drogen haben mir immer gefehlt. Ich hatte immer den Geschmack von irgendwelchen Substanzen in der Nase oder im Mund und das hat mich so einige schlaflose Nächte gekostet“, berichtet er.
Seine Hauptdrogen sind Amphetamine und THC, wobei er auch Erfahrungen mit Kokain und Heroin gemacht hat. Heroin war für ihn jedoch zu heftig, da es einen „matschen Kopf“ hinterlässt – ein Zustand, den er nicht ertragen kann. Der tägliche Konsum kostet ihn etwa 30 Euro, die er sich meist durch Ladendiebstähle beschafft.

Der tägliche Kampf: Klauen für den Konsum
Jörg berichtet, dass er täglich etwa sechs Flaschen Parfüm stehlen muss, um seinen Konsum zu finanzieren. Parfüm ist für ihn ein lukratives Diebesgut, da es bei Abnehmern gut ankommt und relativ leicht wieder verkauft werden kann. „Ich habe gemerkt, die Leute mögen Parfüm“, sagt er und erklärt, dass er feste Abnehmer hat, sogenannte Stammkunden, die auch per Auftrag größere Mengen kaufen.
Diese Parfüms stammen oft von bekannten Marken wie Versace, Dior, Hugo Boss oder Armani. Einzelne Flaschen können Preise von 70 bis 100 Euro erreichen – ein lukratives Geschäft für jemanden, der auf der Straße lebt. Manchmal verkauft er sogar für 100 oder 200 Euro auf einmal, doch das sind Ausnahmen.
Sein Vorgehen ist schnell und kalkuliert: „Ich gehe da rein, mach zack zack, weg bin ich.“ Dennoch wird er immer wieder erwischt und erhält Hausverbote. Insgesamt hat er etwa 100 Anzeigen am Hals – eine erschreckende Zahl, die seine schwere Situation verdeutlicht.
Inhaltsverzeichnis
Die Konsequenzen: Anzeigen, Hausverbote und Haft
Die zahlreichen Anzeigen führen immer wieder zu Strafverfahren und sogar Haftaufenthalten. Jörg war vor kurzem eine Woche in der JVA Hagen wegen Ladendiebstahls und wegen fehlendem festen Wohnsitz. „Das war schon wie eine Hölle für mich“, sagt er.
Seine Angst vor dem Gefängnis ist groß, denn er liebt seine Freiheit. „Ich finde Leute, die acht und arbeiten gehen, die sind wie gefangen“, erklärt er. Für ihn ist das Gefängnis eine Art Endstation, die er trotz aller Schwierigkeiten vermeiden möchte.

Ein Leben ohne festen Wohnsitz
Jörg hat keine eigene Wohnung, sondern teilt sich ein kleines Zimmer mit einem Bekannten in Olpe. Die Unsicherheit und das Leben auf der Straße erschweren seine Situation zusätzlich. Dennoch ist er oft in Dortmund unterwegs, vor allem rund um den Hauptbahnhof und die Innenstadt, wo er seine „Geschäfte“ abwickelt.
Er erzählt, dass er auch schon Handyverträge auf seinen Namen abgeschlossen hat, um Geräte zu bekommen, die er dann weiterverkauft. Dieses Vorgehen war dumm, wie er zugibt, und führte zu Problemen mit der Schufa, sodass er heute keine Handyverträge mehr bekommt.
Familiäre Brüche und soziale Isolation
Die Sucht hat auch Jörgs Beziehungen zu seiner Familie stark belastet. Der Kontakt zu seinem Bruder ist fast abgebrochen, und auch zu seinem Vater, seiner Tante und seinem Cousin ist das Verhältnis schwierig. „Schlecht“, beschreibt er die Situation.
Er gibt offen zu, dass er auch seine Familie für Drogen beklaut hat – eine Handlung, die ihm sehr leidtut. „Auch als Drogensüchtiger gibt es so Gefühle, wie dass man sich schämt und dass man traurig ist darüber“, sagt Jörg.
Seine Familie vertraut ihm kein Geld mehr an, weil sie genau wissen, dass er es für Drogen ausgibt. Diese Erfahrung ist für Jörg schmerzhaft, und er zeigt sich reumütig. „Ich will mir auch, aber ihr müsst eins wissen, der Drogenkonsum ist eine Suchterkrankung und das ist staatlich anerkannt“, betont er.

Sucht als Krankheit verstehen
Jörg macht deutlich, dass seine Abhängigkeit keine einfache Willensschwäche ist. „Das ist nicht mal wie ich ess mal weniger Schokolade oder so allgemein, das ist wie Spielsucht, Sexsucht, das ist eine motherfucking Sucht.“ Diese Einsicht ist wichtig, um das Verhalten und die Schwierigkeiten von Betroffenen richtig zu verstehen.
Der Alltag eines Suchtabhängigen
Der Alltag von Jörg ist geprägt von der ständigen Suche nach Geld und Drogen. „Ich muss viel machen. Ich muss klauen gehen, um mein Drogenkonsum zu finanzieren“, sagt er. Diese Routine ist ein Teufelskreis, aus dem er nur schwer entkommen kann.
Er weiß, dass er früher oder später im Gefängnis landen wird, doch die Angst davor ist groß. Freiheit bedeutet für ihn alles, und er sieht viele Menschen, die arbeiten gehen, als Gefangene ihres Lebensstils.

Kurze Haftaufenthalte und ihre Folgen
Bisher war seine längste Haft eine Woche, doch diese Zeit hat ihn stark geprägt. Er beschreibt die Nächte im Gefängnis als quälend, vor allem ohne Drogen. „Das war schon hardcore, ich habe schon Nächte lang wachgelegen, ja auch ohne Drogen.“
Diese Erfahrungen sind Warnsignale, doch sie reichen nicht aus, um dauerhaft von der Sucht loszukommen. Immer wieder versucht Jörg, clean zu werden, doch meist halten diese Phasen nur wenige Monate.
Verlorene Liebe und Sehnsucht nach Normalität
Die Sucht hat auch Jörgs Liebesleben stark beeinflusst. Seine letzte Beziehung liegt etwa zehn Jahre zurück, und er hat dadurch eine große Liebe verloren, mit der er fast vier Jahre zusammen war. „Das ist wirklich traurig, was du sagst“, kommentiert der Gesprächspartner.
Jörg sucht momentan eine Partnerin, doch er glaubt kaum, dass eine Frau einen Mann wie ihn akzeptieren würde – jemanden, der täglich Drogen nimmt und kriminell ist. „Ich kenne keine einzige, die selber drauf ist“, sagt er.

Hoffnung auf Veränderung durch Liebe
Dennoch hofft Jörg, dass die richtige Frau ihn eines Tages dazu bringen könnte, mit den Drogen aufzuhören. „Wenn sie zu mir sagen würde, du musst komplett damit aufhören und willst mit mir eine Familie gründen, dann will ich mich für die Frau entscheiden, weil Mensch ist ja wichtiger als Drogen.“
Diese Hoffnung zeigt, dass trotz aller Schwierigkeiten ein Wunsch nach einem besseren Leben und menschlicher Nähe besteht.
Kindheit und Schulzeit: Die Wurzeln der Sucht
Jörg erzählt, dass seine Kindheit von familiären Problemen geprägt war. Sein Vater verliebte sich in eine andere Frau, und Jörg wuchs bei seiner Mutter und seinem Bruder auf. Einen richtigen Vater, der klare Regeln setzte, gab es nicht.
„Ich hatte nie einen richtigen Vater, der mir gesagt hat, das darfst du nicht und das darfst du nicht“, sagt er. Die fehlende Orientierung und Unterstützung haben ihn möglicherweise auf einen schwierigen Weg geführt.

Schulzeit und Drogeneinstieg
Schon in der Schulzeit begann Jörg mit dem Drogenkonsum. Seine schulischen Leistungen waren schlecht, doch er wurde nicht gemobbt. Die Gründe für seinen Einstieg in den Drogenkonsum sieht er eher in seinem Umfeld und der fehlenden familiären Stabilität.
Die Folgen seines Lebensstils zeigen sich deutlich: Er hat viel aufs Spiel gesetzt und zahlreiche Chancen verloren, unter anderem seine große Liebe.
Ein letzter Gruß an den Vater
Zum Schluss richtet Jörg bewegende Worte an seinen Vater: „Papa, wenn du das sehen solltest, denke immer dran, du wirst immer mein Vater bleiben. Ich schäme mich auch dafür, dass du so ein miserabler Sohn hast wie mich, aber vergiss nicht eins: Blut ist dicker als Wasser und irgendwann wirst du stolz auf mich sein.“
Er hofft, dass er nach einem möglichen Gefängnisaufenthalt mit den Drogen aufhören kann und vielleicht nur noch gelegentlich konsumiert. „Ich habe dich lieb und ich werde dich nicht vergessen“, schließt er.
